"Fehlplanungen und Versäumnisse von Rot-Grün bei der Kindertagesstättenpolitik"
Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Ministerin Alt,
Wir durften gestern in der Rhein-Zeitung von Ihnen lesen, dass sie von
der Personallücke in den Kindertagesstätten des Landes „überrascht seien“.
Das hat mich ehrlich gesagt überrascht, Frau Ministerin. Ich frage mich, wo Sie in den vergangenen Jahren waren?
2010 wird im Auftrag der Landesregierung die Studie von Professor Sell zum Erzieherinnmangel veröffentlicht. Fazit: Wir müssen ab 2013 mit einem Erzieherinnenmangel von mindestens 2 000 Stellen rechnen.
War Ihnen das nicht bekannt?
2012 veröffentlicht die GEW eine breit angelegte Umfrage unter den Erzieherinnen im
Land: Das Ergebnis lautete:
- 75 Prozent der Kitas sagen, dass der Fachkräftemangel in der Kita eine Rolle spielt;
- die meisten Kitas geben an, dass die Qualität der Arbeit leide, Exkursionen nicht mehr
stattfinden und das Personal zunehmend überlastet sei.
Haben Sie das nicht zur Kenntnis genommen?
2012 bringt meine Fraktion einen Antrag in den Landtag zur Linderung des Erzieherinnenmangels ein.
Dazu fand auch eine Anhörung im Landtag statt. Haben Sie das alles verdrängt?
Sie sagen gegenüber der Zeitung zu Recht, dass die Erzieherinnen unter zunehmenden
Stress und Überforderung leiden. Denn Sie haben viel zu lange das Thema der Personalgewinnung für die Erzieherinnen vernachlässigt und die falschen Schwerpunkte gesetzt.
Zwei Beispiele:
- In Rheinland-Pfalz wurden über lange Jahre die Fachschulkapazitäten zurückgefahren,
obwohl in Rheinland-Pfalz schon der Rechtsanspruch für Zweijährige beschlossen war!
Das musste erst wieder mühsam aufgeholt werden. Wichtige Zeit ist verstrichen –
Hunderte Interessierte wurden abgewiesen!
- Wichtige Anregungen des Gutachtens von Herrn Professor Sell werden bis heute ignoriert. So warnt beispielsweise das Gutachten vor der Gefahr, dass akademisch ausgebildete Fachkräfte eine recht kurze Verweildauer in den Kindertagesstätten haben. Strukturelle Änderungen, damit die akademischen Erzieherinnen auch an den Kitas
verbleiben, sucht man aber bis heute vergebens!
Doch die von Ihnen richtig beschriebene Verzweiflung der Erzieherinnen hat noch andere
Ursachen, als nur den Erzieherinnenmangel.
Wir wissen das, weil wir in den vergangenen drei Jahren intensiv mit hunderten Kita-Leitungen gesprochen haben:
Die Rahmenbedingungen in den Kitas werden immer schwieriger:
- Der Ausbau der frühkindlichen Betreuung wird von Ihnen bewusst über die großen
Kindergartengruppen und eben nicht über die kleinen Krippengruppen bewerkstelligt
Folge: Die Altersspanne der Kinder in der Gruppe – Angefangen von zwei manchmal
sogar einem Jahr bis hoch zu sechs Jahren. Das ist kaum unter einen pädagogischen
Hut zu bekommen.
- Die Sprachfördermaßnahmen werden im aktuellen Haushalt gekürzt – Stattfinden soll
sie trotzdem in den Kitas.
- Das Fortbildungsbudget für Erzieherinnen wurde vergangenes Jahr kurzfristig gestoppt. Ist das ein Zeichen der Wertschätzung der Arbeit in den Kitas? Wohl nicht!
- Das Land ist laut Sozialgesetzbuch für die Gruppengrößen zuständig. Hier im Landtag
werden die Rahmensetzungen für die Kindertagesstätten beschlossen. Eine Veränderung der Gruppengrößen aufgrund der Zunahme an Dokumentationspflichten, Förder- und Diagnoseansprüchen wurde aber nicht vorgenommen.
Und Sie, Frau Ministerin, wollen überrascht sein, dass die Erzieherinnen langsam ausgebrannt und frustriert sind? Ich kann das nicht glauben.
Es ist ein Zeichen der Hilflosigkeit, wenn Sie nun die Frage der Qualität und der Personalausstattungen an die Träger abschieben wollen. Denn Sie geben den rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Rahmen vor, nicht die Träger.
Sie haben eine Kostenaufteilung bei den Kitas vorgenommen, die nun vor Gericht steht.
Und Ihre Landesregierung ist es, die die kommunalen Träger über einen verfassungswidrigen
Kommunalen Finanzausgleich in die Verschuldungsfalle treibt.